Einmal Leben, bitte!

... so hab ich mir das aber nicht vorgestellt ...

 

Das vorige Kapitel hat euch schon gezeigt, wie anders mein Alltag hier ist: gewöhnungsbedürftig, überraschend, verstörend und manchmal sogar ein bisschen angsteinflößend. Und weil dies alles Dinge zum Angreifen waren, möchte ich euch hier noch tiefer in mein Leben entführen! In all die Besonderheiten eines Lebens am Campus.

 

27 hab ich werden müssen, um zum ersten Mal in einem Studentenwohnheim auf einem Unicampus zu leben. Ich kann nur von Glück sprechen, dass ich hier zwar "gefangen" bin, aber dennoch einen der wesentlichen Bestandteile auslassen konnte: unmittelbare MitbewohnerInnen. Ein Leben in dieser Bubble ist jedenfalls etwas, das ich euch genauer zeigen will. Und das nicht nur, weil ich bald beinahe ein ganzes Jahr hier gelebt habe, sondern v.a. deshalb, weil es so etwas bei uns ganz einfach nicht gibt.

 

 

Studiert man an Emory, so ist es Pflicht, in den ersten beiden Studienjahren auch am Campus zu leben. Und weil es einfach bequem ist, so habe ich es mir sagen lassen, bleiben die Studis meist bis zu ihrem Abschluss, d.h. noch zwei weitere Jahre hier verhaftet. Aber wir ihr schon wisst, nicht in ein und demselben Appartement, nein, jeden Sommer bzw. zum Ende der Anmeldephase im März/April entscheidet sich neu, wo sie die kommenden 10 Monate untergebracht werden sein. Fotos vom Einzug im August habe ich euch ja schon gezeigt und deshalb wundert es mich auch nicht, in den letzten Wochen überall Werbung für Umzugsunternehmen und -helferInnen und natürlich von all den damit einhergehenden Regeln zu sehen. 

 

 

StudentInnen müssen übrigens spätestens 24 Stunden nach ihrer letzten Prüfung ihre Zimmer geräumt haben - mit einer Ausnahme: Seniors, die ihre Abschlüsse machen dürfen gnädigerweise noch bis zu 24 Stunden nach der Abschlussfeier bleiben. :-)) Ich frag mich nur, wann da Zeit fürs Packen, Umziehen und Feiern (??) bleibt!

 

Für mich also immer noch gewöhnungsbedürftig, aber das liegt daran, dass wir so etwas einfach nicht kennen. Und genau deshalb zeig ich euch jetzt auch ganz genau, wie der Hase hier so jeden Tag so läuft ...

 

Zunächst beginnt einmal alles mit dem Betreten des Studentenwohnheims, in meinem Fall des Clairmont Towers.

 

 

Und wieder einmal sage ich nur: "Land of the Free", aber andererseits passt es auch einfach perfekt :-) zu all den Sicherheitsstandards, die einen ja auch unglaublich beruhigen, rund um mich herum. Und so schlimm wie es aussieht, ist es dann auch nicht, denn der Versuch hat es bestätigt: ich habe mit meiner Karte auch Zugang zu anderen sogenannten dorms, nicht nur dem Tower. Also ... zumindest ein wenig mehr Bewegungsfreiheit. :-)) Ich weiß nur noch nicht, ob das das Privileg meiner Faculty/Staff-Karte ist??

 

 

Hat man dies dann einmal geschafft, ...

 

 

... geht es endlich ins "eigene" Heim und auch dort ist der Alltag anders als ich ihn von zu Hause kenne.

 

Ich bin hier wirklich privilegiert, denn während ich im Gegensatz zu allen anderen eine Küche und ein Bad ganz für mich alleine habe, so rinnt es mir regelmäßig kalt den Rücken hinunter, wenn ich daran denke, dass auch mein Schlafzimmer, die schätzungsweise nicht mal 20m² normalerweise von zwei Studis bewohnt wird. ... :-))

 

 

Und auch sonst sind wir hier im German House privilegiert, denn nicht nur, dass unser Wohnzimmer größer ist als alle anderen ...

 

 

... hier ist es auch erlaubt, dass Männlein und Weiblein gemeinsam ein Appartement bewohnen (wenn auch nicht in gemeinsamen Zimmern). Gewöhnungsbedürftig sag ich nur ... :-))

 

Und weil ich auf all die nächtlichen Musik- und Feiereskapaden, deren Zeuge ich hier zumindest an den Wochenenden werde, gar nicht eingehen möchte, so sind es "normale" Dinge wie das Wäschewaschen, das immer wieder eine riesen Herausforderung darstellt. Die Wäsche wäscht sich doch von selbst, mögt ihr vielleicht denken und ja, da stimme ich euch auch vollkommen zu, einzig der Weg bis dorthin kann lang und steinig sein!

 

Der Clairmont Tower verfügt über zwei Waschräume im Keller ...

 

 

... jeweils mit Waschmaschinen und Trocknern ausgestattet. Und das ist ein tolles Service, wie spannend dies sein kann zeigt aber schon der Flyer, der dort überall zu finden ist.

 

 

Ich frage mich immer noch, wo sich die 23 Maschinen befinden ... Und habt ihr schon einmal mit Timer (am Handy) Wäsche gewaschen?? Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich mich auf den Tag freue, wenn ich endlich wieder Wäsche waschen kann, wenn ich Zeit und Lust dazu habe. Und all das sind nicht mal die Trockner wert!!!

 

 

 

Die Wäsche ist aber nicht allein, die meinen Alltag hier zu einem anderen machen, als ich ihn gewohnt bin. Und so komme ich zu einem weiteren Thema, dem Einkaufen.

 

Emory bietet ein großartiges Service! 7 Tage die Woche fährt ein Shuttle-Bus zu einem nahegelegenen Supermarkt - und das ganz gratis.

 

 

An Wochentagen zu Publix ...

 

 

... und an den Wochenenden zu Kroger, der Teil eines "Einkaufszentrums" - Toco Hills - ist.

 

 

Das ist wirklich großartig ... und doch ist es gewöhnungsbedürftig, denn während es im Sommer zwar auch möglich ist, Publix zu Fuß zu erreichen, so ist man zumindest im Winter auf die Shuttles angewiesen ... und diese haben für mich ungewöhnliche Fahrzeiten. Am Wochenende gibt es ein Ganztagesservice, unter der Woche fährt der Bus aber nur zwischen 7 und halb 10 am Abend. Und genau das ist für mich als "alte Schachtel" hier wirklich nicht mehr die Zeit, zu der ich einkaufen möchte ... :-) Aber man gewöhnt sich daran, wenn auch nicht ganz, das Einkaufen einfach zu planen - aus mit der Spontaneität, zumindest wenn man nicht frieren und schleppen will!

 

Das bringt mich zu einem der wahrscheinlich wichtigsten Dinge, an dich ich mich noch immer nicht gewöhnen konnte: kein Auto zu haben. Obwohl Emory ein großartiges Service bietet, dieses ist im Großen und Ganzen aber leider auf die Uni und somit meinen Arbeitsalltag beschränkt. Und ganz besonders an einer Vorstadtuni in einer Stadt wie Atlanta, wo ohne Auto rein gar nichts geht (die Öffis kennt ihr ja bereits). Umweltbewusst und nachhaltig, das bin ich zumindest, und zum Glück habe ich Abby, die mich großzügig chauffiert und mir "die Welt" zeigt. :-)

 

Zunächst habe ich ja darüber nachgedacht, mir ein Auto zu kaufen. Aber nicht nur, dass ich hier einen Führerschein hätte machen müssen, nein, die Preisklasse, die ich mir vorgestellt habe, liegt unter dem Preis von 660$ pro Jahr, den ich hier fürs Parken hätte zahlen müssen. Und noch dazu gibt es hier unzählige Regeln, die man beachten muss:

 

1) Freshmen (im ersten Studienjahr) dürfen kein Auto am Campus haben   =>   das trifft auch mich ja Gott sei Dank nicht mehr zu :-)

 

2) für das Parken muss man sich registrieren und eine Parkerlaubnis beantragen   =>   das wäre als faculty/staff member kein Problem

 

3) Man braucht für jedes Parkhaus eine eigene Erlaubnis (siehe http://transportation.emory.edu/parking/locations.html)   =>   d.h., ich könnte nicht mal vom Clairmont Campus zum main campus fahren ...

 

 

Für mich also einfach unrealistisch und so habe ich mir gedacht, ich könnte ja ein hier ansässiges Car Sharing - Angebot nutzen - Zip Car. Es ist ja keine Überraschung mehr, dass auch dieses nicht funktioniert hat. Ihr fragt euch warum? Ja, in einem Land der Bürokratie reicht ein internationaler Führerschein dafür nicht aus und so wollten sie von mir, weil es keine Abkommen zwischen Österreich und den USA gibt, zunächst einmal einen Strafregisterauszug und dann noch ein Statement meiner Versicherung über Schäden, Parkstrafen, ... haben. Klingt in der Theorie ja gut, es hat wohl nur noch niemand darüber nachgedacht, dass man einen Strafregisterauszug nur persönlich beantragen kann. Und weil sich das Schicken (lassen) hier einfach nicht spielt, hat sich auch diese Möglichkeit bald in Luft aufgelöst ...

 

Einfach ungewohnt ... auch die Tatsache, welche Autos man hier so stehen sieht: von Porsche über Lexus bis hin zu BMWs. Der Reichtum scheint hier ausgebrochen zu sein, v.a. wenn man bedenkt, dass die meisten hier noch nicht einmal alt genug sind, Alkohol zu trinken :-)). Wie ich mich jedenfalls darauf freue, endlich wieder hinter einem Steuer zu sitzen und damit jene Bewegungsfreiheit zurück zu haben, die ich hier so schmerzlich vermisse! :-)) Aber nicht mehr lang ... und wenn ich all das gehabt hätte, hätte ich euch schließlich auch nicht von den Öffis erzählen können!! :-))

 

 

Ich hatte nun sehr lange die Möglichkeit, die Bubble eines Unicampusses kennenzulernen und während ich weiß, dass all meine Erfahrungen nicht zu generliaiseren, sondern wirklich Emory-spezifisch sind, gefällt mir das, was ich so erleben durfte, nur bedingt.

 

Ich finde es toll, dass ich hier ein "Zuhause" habe, in welchem ich mich um rein gar nichts kümmern muss. Das ist auch das, warum so viele hier bleiben, auch wenn sie nicht mehr müssen, denn sie haben mir erklärt (und das kann ich bestätigen), dass es unglaublich bequem ist: alles ist einfach da und sollte einmal etwas nicht funktionieren, dann ruft man einfach den Resident Advisor oder das Residence Life Office, wovon sich eines übrigens im Erdgeschoss des Clairmont Towers befindet, an oder macht ein request online - http://webfm.fmd.emory.edu/fmit/studenthousing/. Und dann kommt ganz einfach jemand und repariert, wechselt Glühbirnen oder sprüht Chemikalien.

 

 

Schon praktisch, da kann ich nur zustimmen! All die tollen Annehmlichkeiten sind aber mit "Gegenleistungen" verbunden und für mich als "Exotin", die das System nicht kennt, sind es diese Gegenleistungen nicht wert. So ist es zum Beispiel möglich, nicht unweit vom Campusgelände eine Wohnung zu finden, die nicht nur viel weniger kostet (etwa 600$ im Vergleich zu horenden 1100$ monatlich), sondern aus der man über den Sommer auch nicht ausziehen muss - die Lagerung von Boxen kostet ca. 35 Dollar pro Schachtel, Räder kosten extra, Fernseher sind nur in der Originalverpackung erlaubt und Essen, nicht einmal Dinge wie Mehl und Nudeln sind strengstens verboten. Aber wer hat, der hat ... 

 

Für mich ist all das einfach meilenweit vom richtigen Leben entfernt. Klar, die Studis sollen sich auf ihre Ausbildung konzentrieren, aber haben wir das nicht auch alle geschafft, obwohl wir unsere eigenen Glühbirnen gewechselt haben?!?! Und wir waren dabei Teil des Lebens, nicht abgeschottet und behütet in einem System von Sicherheitsnetzen, sodass am Ende rein gar nichts passieren kann.

 

 

In dieser sorgenfreien Welt - ich frag mich immer noch, wann das Erwachsenwerden beginnt ... -, in der man keine Rechnungen bezahlen muss (außer der Studiengebühr natürlich ... und die ist eh hoch genug), muss man auch nicht kochen und einkaufen. Denn alle StudentInnen hier kaufen sich mit der tuition ganz automatisch sogenannte Dooleydollar mit. Offiziell heißt es: All residential students (living in university housing) must participate in a dining plan.

 

Da frage ich mich, an wen sich dieses Werbeplakat richtet?!?! :-))

 

 

Und so gibt es viele unterschiedliche Pläne zur Auswahl, die sich hinsichtlich der Höhe der "mitgelieferten" Dooleydollar und der Limitierung der Mensabesuche unterscheiden.

 

Meal Plans: http://www.emory.edu/dining/dining_plans.php

 

 

Gar nicht so einfach, ... Aber schließlich finanziert sich die Uni irgendwie halt selbst ... gut nur, dass zum Beispiel all die Restaurants und Coffee Shops am Campus - Starbucks und Co. - die Emory-eigene Währung akzeptieren.

 

Und diesen neben "normalen" Restaurants ...

 

 

... gibt es also Mensen, ganz voran Dobbs Market und das DUC.

 

 

Als "Besucherin" darf auch ich hier essen, zumindestens fast überall, und das tue ich auch hie und da und während mir die Preise meist den Boden unter den Füßen weg ziehen, bin ich stets froh, keinen Meal Plan zu haben. Denn obwohl die Auswahl beinah grenzenlos ist, letztlich schmeckt alles gleich und nach Mensa eben. Also eine nette Abwechslung, aber definitiv nichts für jeden Tag. Und genau das ist auch, was ich von den Studis immer wieder höre, aber im Gegensatz zu mir haben sie einfach keine andere Wahl ... denn man muss wissen, Dooleydollar verfallen am Ende des Semesters einfach - und können auch für nichts anderes eingesetzt werden. So viel also zum Thema Selbstfinanzierung. Aber zumindest ersparen sie sich nicht nur den Weg zum Einkaufen, sondern auch ein Umziehen mit vielen Küchenutensilien ... :-))).

 

Und obwohl diese Dinge für mich wirklich komisch sind und ich mich daran auch weder gewöhnen möchte noch werde, so muss ich, denn gerade mein letzter Satz bringt es auf den Punkt, sagen, dass das System zu funkionieren scheint. Alle Dinge gehen Hand in Hand und so bleibt das einzige, was fehlt, das wahre Leben aus der richtigen Welt :-).

 

Wie ihr seht, ist ein Leben am Campus wirklich speziell. Speziell ist aber nicht nur das "Wohnen", sondern auch das Studieren selbst, was ich euch im nächsten Kapitel ein wenig genauer zeigen möchte.